Pharao und Jonas
Beide geraten in eine völlig aussichtslose Lage, aus der sie nur durch die Hilfe Gottes gerettet werden können.
Pharao, der besessen ist von seiner eigenen Macht, lässt sich durch nichts davon abhalten, die Israeliten zu verfolgen. Gott schickt die berühmten Plagen über das Land Ägypten, damit er erkenne, dass er gegen Gott nichts ausrichten kann, doch Pharao ist blind vor Wut und hat nur eines im Sinn: seinen Widersacher Moses und dessen Gefolgsleute zu vernichten. Er kommt zum Meer, das Gott für die Israeliten soeben geteilt und somit begehbar gemacht hat, und als er ihnen nachfolgen will, stürzt das Wasser über ihn ein und ihm und seinen Männern droht der Tod durch Ertrinken. In diesem Moment nun spricht Pharao folgende Worte: Ich glaube, dass es keinen Gott gibt außer dem, an den die Kinder Isra’ils glauben. Und ich gehöre (nun) zu den (Gott) Ergebenen.
Jonas hatte von Gott die Aufgabe erhalten, eine Stadt zu warnen und zu dem rechten Glauben zu leiten. Doch die Bewohner der Stadt zeigen keinerlei Interesse an ihm und seinen Predigten. Frustriert verlässt er die Stadt und besteigt ein Schiff, um alles hinter sich zu lassen. Das Schiff gerät in einen Sturm, Jonas geht über Bord und wird zu allem Übel auch noch von einem großen Fisch verschluckt. Nun sitzt er im Bauch des Fisches und hat nur noch den Tod vor Augen. In diesem Moment sagt er: Es gibt keinen Gott außer Dir! Preis sei Dir! Gewiß, ich gehöre zu den Ungerechten.
Wo liegt jetzt der Unterschied? Beide sprechen doch das Glaubensbekenntnis aus. Der Unterschied liegt im Charakter und daraus resultierend in der Absicht.
Pharao sieht das Aufsagen des Glaubensbekenntnisses als eine Art Deal an. Er erhofft sich davon, dass er mit heiler Haut aus der ganzen Sache wieder herauskommt. Er spricht im Gegensatz zu Jonas auch nur das Glaubensbekenntnis aus. Kein Lobpreis, keine Reue, kein Einsehen, kein Schuldbekenntnis, keine Bitte. Über seine Lippen kommt tatsächlich nur das Minimum, was man aufsagen muss, damit das Glaubensbekenntnis gültig ist. Er ist wie die Menschen, die am Jüngsten Tag darum bitten, eine zweite Chance zu erhalten und geloben, dass sie dann zu den Gläubigen gehören würden. Sie sagen das nicht, weil sie plötzlich verstanden haben, worum es geht. Nein! Sie sagen es, weil sie erkennen, dass die Strafe droht und sie ihre eigene Haut retten wollen. Es ist eine reine Taktik, um ans Ziel zu kommen, nämlich verschont zu werden.
Gottes Antwort lautet dementsprechend: Erst jetzt? Wo du dich doch zuvor widersetztest und zu den Unheilstiftern gehörtest? Und Pharao ertrinkt.
Jonas hingegen preist in diesem Moment Gott und er- und bekennt seinen eigenen Fehler (der darin bestand, dass er die Aufgabe, die er von Gott erhalten hatte, nicht erfüllt hat, sondern weggelaufen ist). Er zeigt damit, dass er die Strafe/das Unglück akzeptiert und versteht, und dass er selbst es war, der es durch seinen Ungehorsam provoziert hat. Seine Aussage offenbart also seine aufrichtige Reue. Und Gott errettet ihn.
Was bedeutet das für uns? Der Koran stellt meiner Meinung nach Persönlichkeitstypen vor. Der Leugner entspricht dem Typus Mensch, den wir heute als einen pathologischen Narzissten bezeichnen: einen empathielosen, nur die eigenen Bedürfnisse kennenden Taktiker, der seine Mitmenschen manipuliert und ausnutzt. Seine vermeintliche Reue und seine Versprechungen sind reine Strategie. Sobald er sein Ziel erreicht hat, sind seine zuvor gemachten Versprechungen nur noch Schall und Rauch. Im schlimmsten Falle folgt noch eine Verhöhnung des Opfers, weil es so naiv war, den Versprechungen Glauben zu schenken. Für die Opfer von Narzissten ist es wichtig, diese Manipulationen zu durchschauen. Es helfen dabei folgende Fragen:
- Wann werden diese Versprechungen gemacht? Erst im letzten Moment, nachdem zahlreiche Versuche, miteinander ins Gespräch zu kommen, gescheitert sind?
- Wie werden diese Versprechungen gemacht? Wird einfach nur das aufgesagt, was der andere gerne hören möchte oder wird eine Sachlage differenziert betrachtet und die eigene Verantwortung erkannt?
- Was soll damit bezweckt werden? Dienen diese Versprechungen dem Narzissten? Sollen damit in erster Linie seine eigenen Bedürfnisse befriedigt werden oder sind sie sachdienlich und ein Konflikt soll konstruktiv gelöst und die Bedürfnisse beider Parteien berücksichtigt werden?
Der Koran ist meiner Meinung nach ein Buch für die Opfer von Narzissmus. Er kann dabei helfen, den Manipulationen von Narzissten auf die Schliche zu kommen. Und der erste Weg zu Heilung ist das Erkennen.
Hier die Verse dazu:
21:87 Und (auch) dem Mann mit dem Fisch‘, als er erzürnt wegging. Da meinte er, Wir würden ihm nicht (den Lebensunterhalt) bemessen. Dann rief er in den Finsternissen: „Es gibt keinen Gott außer Dir! Preis sei Dir! Gewiß, ich gehöre zu den Ungerechten.“
21:88 Da erhörten Wir ihn und erretteten ihn aus dem Kummer. So retten Wir die Gläubigen.
10:90 Und Wir ließen die Kinder Isra’ils das Meer durchschreiten. Da verfolgten sie Fir’aun und seine Heerscharen in Auflehnung und Übertretung, bis daß, als er vom Ertrinken erfaßt wurde, er sagte: „Ich glaube, daß es keinen Gott gibt außer dem, an den die Kinder Isra’ils glauben. Und ich gehöre (nun) zu den (Allah) Ergebenen.“
10:91 „Aber jetzt erst! Wo du dich doch zuvor widersetztest und zu den Unheilstiftern gehörtest?
10:92 Heute wollen Wir dich mit deinem Leib erretten‘, damit du für diejenigen, die nach dir kommen, ein Zeichen seiest.“ Und viele von den Menschen sind gegenüber Unseren Zeichen wahrlich unachtsam.
6:27 Und wenn du sehen würdest, wenn sie vor das (Höllen)feuer gestellt werden! Dann werden sie sagen: „O würden wir doch zurückgebracht werden! Wir würden (dann) nicht die Zeichen unseres Herrn für Lüge erklären, sondern würden zu den Gläubigen gehören.“
6:28 Nein! Vielmehr hat sich ihnen offenkundig gezeigt, was sie zuvor zu verbergen pflegten. Und wenn sie zurückgebracht würden, würden sie doch wieder zu dem zurückkehren, was ihnen verboten wurde. Sie sind wahrlich Lügner.