Gedanken zum Opferfest

Am Opferfest gedenken die Muslime Ibrahims, der seinen eigenen Sohn für Gott opfern wollte. Gott verhinderte dies und löste den Sohn durch ein Schlachtopfer aus. Den klassischen Kommentatoren zufolge wollte Gott prüfen, wie stark Ibrahims Glaube war und zu welchen Opfern Ibrahim bereit war. Doch kann man die Geschichte auch anders verstehen?

Ibrahim war ein Autodidakt. Zum Glauben fand er allein durch eigene Bemühungen. Dabei geht er nach der Trial-and-Error-Methode vor. Ibrahim zog sich gerne zurück und beobachtete die Natur. Zunächst verehrte er verschiedene Himmelskörper als Gott, doch er begriff, dass auch diese Himmelskörper Gesetzen unterlagen und somit nicht Gott sein konnten und kam zu dem Schluss, dass Gott die Kraft sein muss, die alles erschafft und lenkt.

6:74 – 79 Als ihn nun die Nacht überschattete, da erblickte er einen Stern. Er sagte: „Das ist mein Herr.“ Doch da er unterging, sagte er: „Ich liebe nicht die Untergehenden.“ Als er den Mond sah, wie er sein Licht ausbreitete, da sagte er: „Das ist mein Herr.“ Doch da er unterging, sagte er: Wenn mein Herr mich nicht rechtleitet, werde ich gewiss unter den Verirrten sein.“ Als er die Sonne sah, wie sie ihr Licht ausbreitete, da sagte er: „Das ist mein Herr, das ist noch größer.“ Da sie aber unterging, sagte er: „O mein Volk, ich habe nichts mit dem zu tun, was ihr (Allah) zur Seite stellt. Seht, ich habe mein Angesicht in Aufrichtigkeit zu Dem gewandt, Der die Himmel und die Erde schuf, und ich gehöre nicht zu den Götzendienern.

Er kann Ideen nur annehmen, wenn er in seinem Innern auch davon überzeugt ist. So bittet er Gott darum, ihm zu zeigen, wie die Toten auferstehen. Gott fragt ihn, ob er denn immer noch nicht glaube und Ibrahim antwortet, dass er es selbst sehen müsse, damit sein Herz beruhigt sei.

2:260 Und als Ibrahim sagte: „Mein Herr, zeige mir, wie Du die Toten lebendig machst!“ Er sagte: „Glaubst du immer noch nicht?“ Er sagte: „Doch, aber (ich frage,) damit mein Herz Ruhe findet.“ Er (Allah) sagte: „So nimm vier von den Vögeln und zerstückle sie. Hierauf setze auf jeden Berg einen Teil von ihnen. Hierauf rufe sie, so werden sie zu dir herbeigeeilt kommen. Und wisse, dass Gott allmächtig und allweise ist.“

Er lebt in einer Gesellschaft, die Götzen verehrt. Sein Vater verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Erstellen und dem Verkauf von Götzenfiguren. Ibrahim erkennt, dass diese von Menschenhand gemachten Figuren keine Göttern sind und diskutiert darüber auch immer wieder mit seinem Vater. Sein Vater jedoch lehnt jegliches Infragestellen der Götzen vehement ab und  droht gar damit, seinen eigenen Sohn zu ermorden, sollte er nicht endlich aufhören, die Götzen zu schmähen.

19:46 Er sagte: „Verschähst du meine Götter, o Ibrahim? Wenn du nicht aufhörst, werde ich dich ganz gewiss steinigen. Und meide mich eine Zeit lang.“

Ibrahim beschließt, den Menschen zu beweisen, dass ihre Götzen keine Götter sind. Begreifen durch eigenes Erkennen. Er begibt sich zum örtlichen Tempel und zerstört alle Götzen bis auf den größten. Die Menschen verdächtigen auch prompt ihn dieser Schandtat, denn er war bekannt dafür, dass er die Götzen ablehnte und immer wieder mit den Menschen darüber Streitgespräche führte. Die Menschen fragen ihn nun, ob er die Figuren zerstört habe und er antwortet ihnen, dass er es nicht war sondern die große Figur. Sie mögen doch einfach die Figur fragen. Da wird ihnen ihr eigener Irrtum bewusst, denn natürlich kann die Figur nicht reden. Sie geben das auch unumwunden zu und die erteilte Lektion war zielführend. Nichtsdestotrotz wollen die Menschen weiterhin an ihren Götzen festhalten und Ibrahim soll für seinen Frevel bestraft werden. Er soll bei lebendigem Leib verbrannt werden.

21:68 Sie sagten: „Verbrennt ihn und helft euren Göttern, wenn ihr etwas tun wollt.“ 

War sein eigener Vater dabei, als er auf den Scheiterhaufen gesetzt wurde? Man muss davon ausgehen, dass sein Vater unter denjenigen war, die seinen Tod forderten. Sollten damit die geschmähten Götter besänftigt werden? Ein Menschenopfer, um die Rache der Götter nicht heraufzubeschwören?

Gott erlöst ihn durch ein Wunder.

21:69 (Jedoch) Wir sprachen: „O Feuer, sei kalt und Frieden über Ibrahim.“

Später wird Ibrahim immer wieder denselben Traum haben. Er opfert Gott seinen Sohn. Der Traum beschäftigt ihn so sehr, dass er beschließt ihn wahr zu machen. Sein Sohn willigt ein. Das Opfer soll vollzogen werden. Doch auch hier greift Gott im letzten Moment ein und rettet den Sohn.

Trial an Error.

Tut Ibrahim nicht letztendlich das, was sein eigener Vater, der Götzendiener getan hat? Den eigenen Sohn opfern, um die Götter wohlgesonnen zu stimmen? Ist Ibrahims Traum als ein Befehl Gottes zu verstehen? Oder verarbeitet Ibrahim in seinem Traum seine eigene Geschichte? Hat er das Erlebte noch nicht überwunden? Auch darf man nicht vergessen, dass Ibrahim in dieser archaischen Gesellschaft aufgewachsen ist und die Anbetung von Götzen ihm vertraut ist, möglicherweise auch die Vorstellung, dass Götzen Opfer wollen. Hat er sich noch nicht gänzlich davon frei gemacht?  In wie weit prägen ihn die Vorstellungen seiner alten Religion? Er ist Autodidakt. Er muss alles ganz alleine herausfinden. Und er tut es, indem er handelt und erkennt.

Er erkennt, dass Gott kein Menschenopfer möchte. Gott ist kein Götze. Wer sich Gott zuwendet, tut dies zu seinem eigenen Nutzen.Gott ist selbstlos und empathisch. Es ist der Mensch, der Gott braucht und nicht umgekehrt und Gott gibt, ohne Gegenleistungen dafür zu verlangen. Gott gibt, weil der Mensch braucht. Der Mensch braucht Unterstützung auf seinem Weg zur spirituellen Entwicklung.
Beim Opferfest wird üblicherweise ein Tier geschlachtet. Das Fleisch wird in drei Teile geteilt: ein Drittel ist für die Familie, ein Drittel bekommt die Verwandtschaft und ein Drittel erhalten bedürftige Menschen.

Das ist der Weg ins Paradies. Empathisch sein, selbstlos sein, rechtgeleitet sein.

Beate Lemke

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