Hat Noah wirklich gelebt? Gab es die Sintflut tatsächlich? Sind diese Fragen überhaupt relevant?
Meiner Meinung nach Nein. Die Frage nach der Historizität der Ereignisse ist obsolet.
Die koranischen Geschichten sind Prosaerzählungen, die eine Lehre enthalten. Es werden Gut und Böse gegenübergestellt. Die Handelnden sind archetypische Akteure wie der gute Held (der Prophet), sein böser Widersacher, der Weise etc. Auch wenn Orte und Völker genannt werden, gibt es keinen Bezug zu realen Vorkommnissen.
Der Prophet ist oft ein Außenseiter. Sein Volk, zu dem er als Warner geschickt wird, verspottet ihn. Nur wenige folgen ihm. Und selbst die Familie hält nicht immer geschlossen zu ihm.
Die Handlungsstruktur folgt in der Regel dem gleichen Schema, und zwar unabhängig vom konkreten Inhalt: die Mächtigen nutzen ihre Macht aus, um Schwache auszubeuten und zu unterdrücken. Der Außenseiter prangert dies an und fordert soziale Gerechtigkeit. Die Mächtigen weisen jegliche Kritik von sich, nehmen ihn als Unruhestifter und Aufwiegler war und drohen ihm mit Vertreibung oder Schlimmerem. Das Streitgespräch zwischen den beiden unversöhnlichen Parteien nimmt dabei viel Raum ein. Häufig findet vor der endgültigen Bestrafung eine Prüfung statt, die nicht bestanden wird, sodass die Strafe unausweichlich wird. Die Strafe erfolgt in der Regel über ein Naturereignis.
Die Guten werden gerettet, die Bösen gehen unter.
Die eigentliche Bedeutung liegt in ihrer psychologischen Dimension. Der Zuhörer bzw. Leser wird mit grundlegenden Wahrheiten und elementaren Konflikten konfrontiert, dem Kampf zwischen Gut und Böse. Durch die vielen Dialoge entsteht ein sehr enger Bezug zu den Akteuren. Der Zuhörer bzw. Leser hat das Gefühl, mittendrin zu stehen. Dies erlaubt ihm, Parallelen zu selbst erlebten ähnlichen Konflikten herzustellen und sich selbst in der Geschichte wiederzufinden. Gut und Böse sind klar erkennbar. Die Mächtigen reden sich raus, sind nicht in der Lage, sich selbstkritisch zu betrachten, spielen das Unrecht herunter, finden scheinheilige Erklärungen dafür, wehren alles ab und im schlimmsten Falle drohen sie ihrem Gegenüber. Haben wir das vielleicht selbst schon einmal erlebt?
Aus der Perspektive des Guten heraus kann der Zuhörer bzw. Leser den Konflikt reflektieren und sich auf die wahren Werte besinnen.
Exemplarisch hier ein Ausschnitt aus der siebten Sure, der Sure „Die Höhen“:
85 Und (Wir sandten) zu Madyan ihren Bruder Su’aib. Er sagte: „O mein Volk, dient Allah! Keinen Gott habt ihr außer Ihm. Nun ist ein klarer Beweis von eurem Herrn zu euch gekommen; so gebt volles Maß und Gewicht und schmälert den Menschen nicht ihre Sachen und stiftet auf der Erde nicht Unheil, nachdem sie in Ordnung gebracht worden ist! Das ist besser für euch, wenn ihr gläubig seid.
86 Und lauert nicht auf jedem Weg, indem ihr droht und von Allahs Weg denjenigen abhaltet, der an Ihn glaubt, und danach trachtet, ihn krumm zu machen. Und gedenkt (der Zeit), als ihr (nur) wenige wart und Er euch dann zu vielen machte. Und schaut, wie das Ende der Unheilstifter war!
87 Und wenn ein Teil von euch an das glauben sollte, womit ich gesandt worden bin, ein anderer Teil aber nicht glauben sollte, so geduldet euch, bis Allah zwischen uns richtet. Er ist der Beste derer, die richten.“
88 Die führende Schar, die sich hochmütig verhielt, aus seinem Volk, sagte: „Wir werden dich, o Su’aib, und diejenigen, die mit dir glauben, ganz gewiß aus unserer Stadt vertreiben, oder aber ihr kehrt zu unserem Glaubensbekenntnis zurück!“ Er sagte: „Was denn, auch wenn es uns zuwider ist?
89 Wir würden ja gegen Allah eine Lüge ersinnen, wenn wir zu eurem Glaubensbekenntnis zurückkehrten, nachdem Allah uns vor ihr errettet hat. Es steht uns nicht zu, zu ihr zurückzukehren, außer daß Allah, unser Herr, (es) wollte. Unser Herr umfaßt alles mit (Seinem) Wissen. Auf Allah verlassen wir uns. Unser Herr, entscheide zwischen uns und unserem Volk der Wahrheit entsprechend! Du bist ja der beste Entscheider.“
90 Aber die führende Schar aus seinem Volk, die ungläubig war, sagte: „Wenn ihr Su’aib folgt, dann werdet ihr fürwahr Verlierer sein.“
91 Da ergriff sie das Zittern, und am Morgen lagen sie in ihrer Wohnstätte auf den Brüsten da.
92 Diejenigen, die Su’aib der Lüge bezichtigen, waren, als hätten sie (überhaupt) nicht darin gewohnt. Diejenigen, die Su’aib der Lüge bezichtigten, waren (nun) selbst die Verlierer.